Auf Goethes Spuren durch Schlesien bis Krakau
Exkursion der Goethe-Gesellschaft Rudolstadt vom 4. bis 12.9. 2010

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Breslau
Breslau - Rathaus
Krakau - Tuchmarkt
Schloss Lomnitz und Park
Jelina Gora - Gnadenkirche
Schneekoppe

War es vor allem das Interesse an einer wichtigen Episode in Goethes Leben, der reizvollen Landschaft oder an der wechselvollen Geschichte und gegenwärtigen Verfassung eines bedeutenden geographischen Raums, Schlesiens? Die diesjährige Exkursion der Rudolstädter Goethe-Gesellschaft zog wiederum Mitglieder und Gäste von Bad Blankenburg und Saalfeld, von Leipzig und Frankfurt am Main an Die von Vorstandsmitglied Burkhard Grüner und dem Reiseunternehmen Besser sorgfältig vorbereitete Route folgte dem Weg Goethes im Sommer und Nachsommer 1791 ins Vorland des Riesengebirges, wo der Herzog Karl August von Sachsen-Weimar als Allierter Preußens mit zwei Berliner Regimentern sein Feldlager aufgerichtet hatte, um in den drohenden Krieg einzugreifen. Glücklicherweise konnte der Konflikt zwischen Preußen , Habsburgern und dem Osmanischen Reich auf dem Verhandlungsweg in der „Reichenbacher Konvention“ beigelegt werden.

Goethe nutzte die Zeit, um Kontakte zu bedeutenden Persönlichkeiten der Region anzuknüpfen ( so zu Friedrich Wilhelm Graf von Reden, preußischer Oberberghauptmann und späterer Bergbauminister in Schlesien, und Friedrich von Schuckmann, Oberamtsregierungsrat und zugleich Oberbergrichter in Breslau), nahm rege am gesellschaflichen Leben in Breslau teil, unternahm ausgedehnte Ritte und tagelange Kutschfahrten in die schlesischen Gebirge und die weiten Oderebenen. Mit besonderem Interesse besichtigte er die große „Feuermaschine“ in Tarnowitz, also eine Dampfmaschine, deren gewaltige Bedeutung für den Bergbau er erkannte.

Tiefe Zuneigung erfasste ihn, den damals 41jährigen und mit Christiane Vulpius Verbundenen , zu der um 20 Jahre jüngeren Henriette von Lüttwitz. Sein Wunsch, sie zur Frau zu gewinnen, blieb unerfüllt.

Erste Station unserer Reise war Görlitz mit seiner wunderbar restaurierten Altstadt. In Wroclaw (Breslau) , der von den Nationalsozialisten zur Festung erklärten und schwer zerstörten Stadt, überraschten die wiederaufgebauten Häuser im Stadtzentrum, das prächtige Rathaus, die Kirchen auf Sand- und Dominsel und die ehrwürdige Universität mit der Aula Leopoldina. Ein Abstecher ins ca. 30 km entfernte Trzebnica (Trebnitz) mit seiner Klosterkirche, in der zwei Frauengestalten zu Seiten des Altars – die Herzogin Hedwig und ihre Nichte Elisabeth von Thüringen – besondere Beachtung fanden. Hier und bei anderen Gelegenheiten wurde die außerordentlich hohe Bedeutung des religiösen Lebens für unsere polnischen Nachbarn deutlich. Vorbei an Brzeg (Brieg) und Oppole (Oppeln) und durch das oberschlesische Industriegebiet ging es dann nach Krakow (Krakau) , das 600 Jahre Polens Hauptstadt war. Von seiner Größe zeugen vor allem auf dem Wawel das prächtige Königsschloss und die Kathedrale – Krönungs- und letzte Ruhestätte der polnischen Könige – , die ehrwürdige Universität, der riesige Markt mit den Tuchhallen und die Marienkirche mit dem berühmten Veit-Stoß-Altar, von deren Turm zu jeder vollen Stunde ein Trompetensignal ertönt- jäh abbrechend und damit an den einstigen Wächter erinnernd, der beim Spiel von einem Pfeilschuss getötet wurde.

Natürlich durfte auch ein Abstecher in das Salzbergwerk Wieliczka nicht fehlen, das heute auf der Liste des Weltkulturerbes steht.

Auf der Rückreise gab es einen Halt in Swidnica (Schweidnitz). Dort steht eine von drei sog. Friedenskirchen, die den schlesischen Protestanten nach dem Westfälischen Frieden zugestanden wurden. Nur aus vergänglichem Material – Holz, Lehm und Stroh – gebaut, ist in der unglaublich kurzen Zeit von einem Jahr ein Jahrhunderte überdauerndes Kunstwerk entstanden, das in modellhafter Gemeinschaftsleistung von Polen und Deutschen restauriert wurde und mit Recht ebenfalls zum Weltkulturerbe gerechnet wird. Weitere Früchte solcher Gemeinsamkeiten konnten wir an anderen Stellen erleben: Die „Villa Wiesenstein“ in Jagniatkow (Agnetendorf), Gerhart Hauptmanns Wohnsitz von 1901 bis zu seinem Tode 1946, wurde zu einem polnisch-deutschen Literaturzentrum gestaltet, betreut von Studenten beider Länder. Bewegend war hier das Erlebnis von Bild- und Tondokumenten des Dichters.

Zu einem besonderen Erlebnis gestaltete sich wohl für alle Teilnehmer der Reise der Besuch von Schloss und Gutshof Lomnitz. Hier haben die Nachkommen der bis zum Kriegsende dort lebenden Familie von Küster die in einem katastrophalen Zustand vorgefundenen Gebäude - das Schloss und den Witwensitz (letzteren als Hotel) - wiederaufgebaut, den herrlichen Park in Ordnung gebracht und auch einen Teil der Wirtschaftsgebäude rekonstruiert und teilweise genutzt. Dieses Beispiel zeigt, was möglich ist, wenn ein visionärer Blick, große Tatkraft und organisatorisches Geschick zusammenkommen, Finanzierungsquellen erschlossen werden und vor allem Organisationen und Institutionen, nicht zuletzt die Menschen vor Ort – Deutsche und Polen - gemeinsam Hand anlegen. Mit der abschließenden Wiederherstellung des sog. Dominiums wird die Geschichte der Gutsherrschaft und Gutshöfe im Hirschberger Tal noch lebendiger präsentiert werden können, vor allem aber werden die mit dem Objekt verbundenen Möglichkeiten des kulturellen Austauschs wachsen.

Der wirtschaftliche Aufschwung in Polen, gefördert durch den Beitritt des Landes zur EU, ist offensichtlich: Der Straßenbau boomt, in die Urlauberorte wird investiert, Hotels und Gaststätten zeigen ein erfreuliches Niveau. Die Hoffnung, dass sich nun auch immer mehr die kulturellen und menschlichen Beziehungen der beiden Nachbarvölker vertiefen, erscheint berechtigt.

Die Exkursion klang mit Kurzausflügen in die herrliche Umgebung von Karpacz (Krummhübel), gekrönt von der Schneekoppe, aus. Ziele waren Jelenia Gora (Hirschberg) mit seinem guterhaltenen mittelalterlichen Stadtkern und der Gnadenkirche sowie der alte Badeort Cieplice (Bad Warmbrunn)“.

Beim Abschied lud uns unsere Reiseführerin herzlich ein, Schlesien und andere Gebiete Polens in Zukunft wieder einmal zu besuchen. Dieser Einladung werden viele gerne folgen.

Wolfgang Werner